2. Tag

 

Von Biessenhofen bis Bernbeuren

 

 

Ein strahlender Tag, ein leichter Wind, noch nicht heiß, mein Rucksack schien gleichmäßig gepackt. (War er auch, wie ich am Abend feststellen konnte.) Das Gasthaus lag günstig für die zweite Etappe. Ich folgte der Straße nach Hörmannshofen, vorbei an der Wassermühle neben der Geltnach. Bevor die Straße sich wieder ostwärts Richtung Bembach wendet, bog ich rechts ab in einen nach Süden verlaufenden Fahrweg, parallel zur Geltnach, bis ich Bertelshofen erreichte.

 

 

Die Pfarrkirche St. Michael grüßt herüber und mahnte mich daran, dass Sonntag ist. Doch ich bin dem Gottesdienst ferngeblieben. Ich war mir nämlich nicht sicher, wie sich meine Kondition am heutigen Tag entwickeln und wie lange ich demnach für die geplante Etappe brauchen würde.

In Bertoldshofen traf ich auf den Prälatenweg, dem ich so in etwa bis Kochel am See folgen wollte.

 

 

Zwei gegenläufige Krummstäbe sind das Zeichen für diesen Fernwanderweg.

 

 

Meistens waren sie gut zu sehen, manchmal musste ich sie erahnen, ab und zu fand ich sie nicht. Eine gute Wanderkarte ist von Vorteil.

Die vielen Klöster, die am Prälatenweg liegen, haben ihm seinen Namen gegeben. Ich bin an den Klöstern in Steingaden, Rottenbuch, Bernried und Benediktbeuren vorbeigekommen.

In Bertelshofen überquerte ich die B472, stieg durch das Dorf einen Hohlweg hinauf und vor mir erstreckte sich im morgendlichen Dunst die Alpenkette der Allgäuer und Ammergauer Alpen. Davor Wiesen, Weideland, Baumgruppen, später Weiler, einzelne Gehöfte.

 

 

Ein prachtvolles Stück Erde.

 

Es war ein Sommertag, wie ich ihn aus meiner Kinderzeit in Erinnerung habe. Unter weiß-blauem Himmel tollten Fohlen über die Koppel, ein Milan kreiste im Aufwind. Grillen sandten sich Botschaften, ein Schmetterling tanzte vor mir her. Ein kleiner grauer Vogel versuchte meine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, um mich aus der Nähe seines irgendwo in der Wiese versteckten Nestes fortzulocken.

 

 

Graubraune Kühe, Allgäuer Vieh, kamen an den Weidezaun, als ich vorüberging. Sie sahen mich mit wunderbar sanften, mandelförmigen Augen an.

Für mich war es immer ein wenig despektierlich, dass Homer die griechische Göttin Hera, Gattin des Zeus, als„kuhäugig“ beschrieben hat.

 

 

Als ich jetzt die Mandelaugen der Allgäuer Kühe bemerkte, bekam diese Charakterisierung für mich eine neue Bedeutung.

 

Auch wenn Homers Schönheitsideal große runde Augen waren, wie sie die braun gefleckten Kühe haben.

 

Als ich jetzt die Mandelaugen der Allgäuer Kühe bemerkte, bekam diese Charakterisierung für mich eine neue Bedeutung.

 

Meine erste Pause machte ich nach 1 3/4 Stunden in Riedhof auf einer Bank unter einem Wegkreuz. In der sonntäglichen Stille goss eine Frau die Blumen auf ihrem Hof. Ich hörte nur das leise Plätschern des Wassers und einen leichten Windhauch im Baum über mir.

 

 

Wandmalerei in Echt.

 

Weiter ging es nach Echt zu. An einer Kreuzwegung unten im Wald wurde ich unsicher, welche Richtung ich einschlagen sollte. Es gab jede Menge Wanderzeichen, die Krummstäbe fand ich nicht. Zwei Mountainbiker umkurvten mich rasant und bogen rechts ab. Dieser Weg führte hinaus auf eine Wiese. Ich gab dem Herdentrieb in mir nach und folgte den beiden Radlern. Nach etwa vier Metern entdeckte ich das Zeichen des Prälatenwegs, also richtig.

 

Der Weg zieht sich aufwärts über Wiesen und Weiden. Rechts mähte ein Bauer Gras, über mir der Ruf eines Bussards, der gelassen im Hangaufwind segelte.

 

Die Sonne stand im Mittag und es wurde heiß. Meine Augen begannen wieder zu brennen. Doch als bei Settele der Blick sich weitete und der Auerberg vor mir lag, waren brennende Augen eine Lappalie. Am Waldrand auf einem Holzstoß mit Blick zum Weidensee machte ich meine zweite Pause. Ein vorbeikommender Radler grüßte kameradschaftlich mit „Hallo, schmeckt´s?“

Über Buchen kam ich nach Geisenhofen. Am Ortsschild führt rechts der Weg auf den Auerberg, einem großartigen Aussichtsberg. Es geht aufwärts durch eine Wiese, in den Wald. Hier wird der Weg steil, eng und unübersichtlich. Er entwickelt sich zu einem ausgewaschenen Pfad, der gerade Platz bietet für 2 Wanderschuhe.

„Jetzt müsste mir ein Mountainbiker entgegenkommen, dann wird’s kritisch“, so dachte ich noch, als ich schon Fahrradgeklapper hörte. Ich klet-terte an einer Baumwurzel hoch. Da schoss er schon heran, der Mountainbiker, erschrocken, jemandem auf dem Weg zu begegnen, dankbar lächelnd als er sah, dass ich Platz gemacht habe. Eine Kollision wäre uns beiden schlecht bekommen.

Als ich aus dem Wald auf Koppelgelände kam, sah ich schon die Kirche. Ein Gasthaus soll’s auch geben. Klar, wo eine Kirche, da eine Wirtschaft. Ich freute mich auf eine große Apfelschorle.

Es hat nicht sollen sein. Die Wirtschaft wurde renoviert, doch einen Automaten mit eisgekühlten Getränken hatte man aufgestellt. Das wiederum gefiel mir nicht. Dann lieber mein eigens Wasser aus der Thermosflasche.

Ich sah mich um. Um den Stamm eines hohen alten Baumes lief eine Bank. Dort wollte ich rasten.

Ein älteres Ehepaar im Sonntagsstaat saß schon dort mit Blick zur Kirche, damit auch mit Blick zu mir. Als ich näher kam und es keinen Zweifel mehr gab, dass ich die Bank ansteuerte, erhob sich das Paar und verließ fast fluchtartig seinen Platz. „Bleiben sie nur, ich setze mich auf die andere Seite“, sagte ich noch. Aber sie sahen mich irgendwie erschreckt an, murmelten irgendetwas, das ich nicht verstand und eilten zu ihrem Auto. Vielleicht war ich eine Begegnung der dritten Art für sie oder ich erschien ihnen wie der Gottseibeiuns und das am heiligen Sonntag!

 

Obwohl ich mich nicht aufraffen konnte, die Aussichtsterrasse der Kirche zu erklimmen, - bei klarem Wetter soll man von oben etwa 230 Dörfer und die Alpenkette sehen können - hatte ich von meinem Platz aus trotzdem einen grandiosen Blick über das Land bis zu den Allgäuer Alpen.

 

 

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