7. Tag

 

Von Bernried bis Penzberg

 

 

Am nächsten Morgen wurde ich früh wach und beschloß, schon um 7 Uhr los zu laufen . Ich wählte den Weg direkt am See entlang bis Seeshaupt.

 

 

Die Sonne legte silberne Bahnen über das auch heute fast unbewegliche Wasser. Es war so klar, dass die Kiesel wie unter Glas vom Ufer aus zu erkennen waren.

 

 

Der Weg führt durch den Bernrieder Park, der der Wilhelmine Busch Wood Stiftung zu verdanken ist. Wilhelmine Busch Wood war eine Mäzenin Bernrieds.

Nur wenige Menschen waren am frühen Morgen unterwegs. Ein Radler und eine Joggerin kamen mir entgegen. Auf einer Bank am Seeufer saß eine junge Frau, die wohl schon ein Morgenbad genommen hatte, denn ein Badeanzug hing über der Lehne.

Wenig später musste auch ich einen Stopp machen: Irgend etwas drückte im rechten Schuh. Ich zog Schuh und Strumpf aus. Das kühle, noch ein wenig feuchte Gras fühlte sich angenehm an.

Und obwohl ich erst eine halbe Stunde gelaufen war, gönnte ich mir eine kurze Barfuß-Pause an einer winzigen Bucht, geschützt durch einen großen Baum mit tief herabhängenden Ästen und einigen Büschen.

 

 

Ich lauschte den verschiedenen Vogelstimmen, blickte über den glatten Seespiegel, sah am anderen Ufer wie einen Hauch die Alpenkette erscheinen und erinnerte mich gelesen zu haben, dass Kaiserin Sissi, wenn sie dem starren Zeremoniell des Wiener Hofes entfliehen wollte, hier an den Starnberger See kam. Das konnte ich mir gut vorstellen.

 

In Seeshaupt an der Anlegestelle, öffnete gerade der Kioskbesitzer dort seinen Stand, stellte ein paar Tische und Stühle heraus, blickte mich auffordernd freundlich an und grüßte. Ich grüßte nur zurück und ignorierte die unausgesprochene Einladung.

 

Die Krummstäbe wiesen den Weg über eine Treppe zu der über dem Ufer gelegenen Straße. Danach ließen sie den Wanderer – jedenfalls mich – allein. Ratlos stand ich da und entschied dann, mich nach links zu wenden.

Falsch!.

1,5 km ging ich in die falsche Richtung. Wieder zurück an der Treppe, die vom Anlegeplatz heraufführte, nahm ich mir die Beschreibung des Prälatenweges vor. Dort stand etwas von einer Bäckerei, an der man vorbeikomme. Tatsächlich, es gibt eine Bäckerei, sogar mit kleinem Stehkaffee. Jetzt tat eine Capuccino gut. Dann fragte ich mich weiter durch zum Gemeindeamt, wie es in der Beschreibung stand. Drei Männer standen im Laden. Jeder war behilflich, und es stellte sich heraus, dass das Gemeindeamt nur etwa 3oo m entfernt war.

„Warum nicht gleich so“, dachte ich und warf mir selbst ein wenig Ignoranz vor.

 

Durch Seeshaupt lief ich jetzt nach der Beschreibung. Erst als ich links in den Wald einbog, entdeckte ich die Krummstäbe wieder.

Nun ging es auf Forstwegen weiter, vorbei an einem Gehöft. Nach einem hoch eingezäunten, den Blick ins Innere verwehrenden Grundstück, dem Sanatorium Lauterbacher Mühle, erreichte ich den Großen Ostersee.

 

 

Der große Ostersee ist der größte See im Naturschutzgebiet Osterseen, eine Hochmoorlandschaft, in der etwa 20 größere Einzelseen eine Fläche von rund 225 ha bedecken. Sie werden auch die „Tränen“ des Starnberger Sees genannt. Und tatsächlich, wenn man die Landkarte ansieht, könnte man glauben, der See weine.

 

Ich lief an der Westseite, am Rande des Naturschutzgebietes Richtung Iffeldorf. Der Weg führt durch Weideland, Wald, zwischen Schilf und Buschwerk, teilweise am See entlang, dann wieder ihn verlassend. Rechts erscheint der Brückensee, gesäumt von Schilf und hohem Gras. Ich kam auf eine Wiese, der Weg zieht sich einen Hügel hinauf. Vor mir liegt links ein Wanderparkplatz. Daher auch die Spaziergänger, die mir auf dem letzten halben Kilometer entgegen kamen.

 

 

Der Weg von Weilheim über Bernried nach Iffeldorf ist in der Beschreibung des Prälatenwegs als „ohne besondere Schwierigkeiten“ ausgewiesen. Das stimmt. Was mich überraschte, ist die Warnung vor Kreuzottern. Bisher habe ich noch nicht gewusst, dass es in Moorgebieten Kreuzottern gibt. Allerdings ist mir auf meiner ganzen Wanderung keine Schlange begegnet, besser gesagt. ich habe keine gesehen. Vielleicht aber hat mich eine gesehen oder zumindest gehört.

 

 

Der Kirchturm von Iffeldorf zeigte 12 Uhr an. Die Glocken begannen zu läuten. Ich dachte an ein kleines Mittagessen. Wie in Bayern üblich, erhoffte ich ein Gasthaus nahe der Kirche. Doch ich fand keines. Also kehrte ich in einem vornehmen Landgasthaus ein. Vor dem Eingang hielt ein großer Wagen, man lud Golfutensilien aus. Die höfliche Bitte meinerseits vorbeigehen zu dürfen, wurde mit einem abschätzigen Blick und ungeduldiger Geste gewährt. Dies ließ mich innerlich wappnen auf einen frostigen Empfang im Hause.

 

Nichts dergleichen. Trotzdem ich selbst auf der Terrasse hoffungslos „underdressed“ war, wurde ich zuvorkommend bedient.

 

Am Ortsrand von Iffeldorf steht auf einem Hügel die Heuwinklkapelle. Eine kleine Allee führt von der Straße hinauf.

 

 

Die Kapelle gilt neben der Pfarrkirche St. Vitus als herausragende Sehenswürdigkeit des Dorfes. Die Barockkapelle in ihrer heutigen Form wurde 1701 durch das Kloster Wessobrunn errichtet. Baumeister war Johann Schmuzer, dem auch die herrlichen Stuckarbeiten zugeschrieben werden.

 

 

Das Gnadenbild.

 

 

Doch schon viel früher war der Heuwinklberg ein Ort der Marienverehrung. Das Gnadenbild einer spätgotische Madonna stammt aus St. Vitus und wurde im 17. Jahrhundert dort an einer Eiche aufgestellt. Als immer mehr Pilger kamen, wurde eine hölzerne Kapelle errichtet, als auch sie zu klein wurde für die Masse der Gläubigen, nahm sich das Kloster der Marienwallfahrtsstätte an. Noch heute soll sie ihre Bedeutung für die Volksfrömmigkeit nicht verloren haben.

 

Der weitere Weg läuft an der Rund-Kapelle vorbei über eine Wiese in den Wald. Hier mahnt ein Brunnen an die Kostbarkeit des Wassers.

 

 

 

 

Abwärts geht es weiter, die Autobahn A 95 wird gequert. Danach fiel die Beschilderung aus. Zwei Wege standen zur Auswahl: einer halb rechts, der andere scharf links. Wieder nahm ich die Beschreibung zur Hand. Darin heißt es:

„… wir … steigen gleich links neben der Autobahn über eine Höhe, nach dem Waldstück sofort rechts weg und dann links ins Moos …“

Wunderbar, also links weg in das Waldstück. Danach war ich erneut ratlos. Nichts sah so aus wie beschrieben. Ich zog die Karte zu Rate, und musste feststellen, dass es den Weg, den ich eben genommen habe, hierauf gar nicht gibt.

Mein nächstes Übernachtungsziel lag in südöstlicher Richtung und war Luftlinie nur noch etwa 2 km entfernt. Irgendein Weg führt da schon hin. Ich wandte mich ins Moos und erreichte eine Bahnlinie. Ab jetzt passten Karte und Beschreibung wieder übereinander. Der Weg entlang der Bahngleise war absolut trostlos, wie das meist an Bahnanlagen der Fall ist. Zweimal fuhren Nahverkehrszüge vorbei und unterbrachen die Eintönigkeit. Doch der Blick auf die Berge entschädigte.

 

Bei den ersten Häusern angekommen, fragte ich nach meiner Unterkunft. Ein junger Mann gab mir eine kurze und prägnante Beschreibung. Ohne Schwierigkeiten fand ich hin.

Ich benutzte den ersten Eingang, der mich in ein Restaurant führte. „Ich habe ein Zimmer bestellt.“ erklärte ich dem Mann hinter der Theke. Der wies es weit von sich, zum Hotel zu gehören und zeigt mir eine Seitentür, durch die ich – oh Wunder – in der Lobby des Hotels landete. Als ich hier nach dem Einchecken fragte, ab wann ich im Restaurant zu Abend essen könne, erklärte auch die Dame an der Rezeption zurückhaltend, das Gasthaus und Beherbungsbetrieb nichts miteinander zu tun haben.

 

Jedenfalls setzte ich mich zum Abendessen in den schattigen Biergarten des Restaurants, der unter meinem Zimmerfenster lag.

Ich nehme an, Gasthaus und Restaurant sind eine ungeliebte Zwangsehe eingegangen.

Ich dagegen ging eine geliebte Verbindung mit einem Glas Weisbier ein und schrieb meine heutigen Eindrücke nieder.

 

 

 

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