3. Tag

 

Von Unterthingau bis Oy-Mittelberg

 

 

Wie versprochen, brachte mich der Wirt am Morgen ein Stück des Wegs. An der Kirche in Görrisried verabschiedete ich mich und begann, den Wegzeichen nach zu laufen.

Es war neblig und feucht. Oberhalb des Ortes kam ich auf weite Wiesen. Der Nebel legte der Landschaft einen weichen, weißen Schleier um.

 

 

Es war still. Niemand begegnete mir.

Ich ging abwärts durch einen Wald, in dem nur das Rauschen eines Baches aus der Schlucht zu hören war. Wieder oben auf den Wiesen stellte ich fest, dass der Nebel zugenommen hatte.

Die Landschaft ruhte malerisch verhüllt im Ungefähren.

 

 

Gedämpft klang das Geläut von Kuhglocken von irgendwo her. Die Kühe konnte ich nicht ausmachen.

 

Ein Marterl stand am Weg mit einem mahnenden Sinnspruch:

 

„Das Ziel nicht vergessen,

den Weg nicht verlassen,

den Mut nicht verlieren.“

 

Eine wahre Pilgerlosung.

 

 

Von meiner Verletzung spürte ich nichts mehr. Darum entschied ich, den Radweg zu verlassen und dem Zeichen des Allgäuer Wanderwegs zu folgen. Nach etwa 500 Metern lenkte es mich wieder in den Wald. Der Weg war noch feucht von der Nacht, wird schmaler und schmaler und führt plötzlich steil bergab über Wurzeln und Steine ins Tal der Wertach.

 

Sollte ich es wagen? Wenn mir hier etwas passierte, würde es schwierig werden, Hilfe zu bekommen.

 

Aber ich hatte Handyempfang. Also stieg ich abwärts. Es gab kein Problem für mich. Sicher und leicht kam ich trotz der Nässe hinunter zur Wertach, wo der Weg sich wieder verbreitert und fast eben etwa 20, 30 Meter oberhalb des Flusses verläuft.

 

 

Blick durch Buschwald hinab zur Wertach, die braune Wasser führte und Äste mitschwemmte, Am oberen Flußlauf schien es ein Gewitter gegeben zu haben.

 

 

Auf dem Weg lag ein Mini-Industriedenkmal: die Erinnerung an ein Kohlebergwerk einer Brauerei aus Nesselwang.

 

     

 

Hinter dem Gittertor verbirgt sich eine alte Lore.

Das Denkmal ist eine Station auf einem Brauereiwanderweg.

 

Gleich danach kommt ein kurzer aber steiler Aufstieg, heraus aus dem Wald auf einen Fahrweg. Auf der Wiese blühten Herbstzeitlose, manche allerdings schon erfroren, als wollten sie beweisen, was ihr Name sagt:

Herbst = Vergänglichkeit,       zeitlos = unvergänglich, ewig.

 

Unter einer Autobahnbrücke hindurch und ich war in Maria Rain, so genannt wegen seiner Lage am Hochufer der Wertach.

In Maria Rain steht die reich ausgestattete Wallfahrtskirche Heilig Kreuz.

 

Regenhimmel über Maria Rain

 

Von außen wirkt die Pfarr- und Wallfahrtskirche einfach und schmucklos. Die Überlieferung berichtet, dass bereits im 11. Jahrhundert hier eine Kirche gestanden habe. Durch Ausgrabungen scheint jedenfalls eine Kirche seit 1414 gesichert. 1496 ließ Bischof Friedrich von Zollern die heutige Kirche errichten. Im Laufe der Zeit hat sie allerdings zahlreiche Veränderungen erfahren im Äußeren wie in der Innenausstattung.

Ich trat ein, und sofort zog der lichte Chorraum mit dem außergewöhnlichen Hauptaltar meine Aufmerksamkeit auf sich.

Der Hauptaltar in seiner heutigen Form wurde über 3 Jahrhunderte gestaltet und ausgebaut, von der Gotik bis zum Rokoko.

Oben, im Gesprenge des Altars steht eine gotische Kreuzigungsgruppe. Darunter findet sich das Gnadenbild der Muttergottes (um 1490), umgeben von großen und kleinen Engelsfiguren (um 1760). Über dem Tabernakel wird das letzte Abendmahl in einer sehr lebendigen Figurengruppe dargestellt. Darüber wieder sieht man die Zeltstadt der Israeliten in der Wüste.

Alle Details des Altars in ihrem eschatologischen Zusammenhang zu sehen und zu begreifen, gelang mir als Laien nicht. Doch der Kirchenführer ist eine gute Hilfe, wie ich später erfahren konnte.

 

Beeindruckt hat mich auch die barocke Kanzel, die von einem Engel getragen wird. Sie steht im Übergang vom Chor zum Langhaus, nicht wie üblicherweise seitlich der Bänke. In reichen Schnitzereien zeigt sie Gleichnisse aus dem neuen Testament, auch die Symbole der 4 Evangelisten sind zu finden. Gekrönt wird die Kanzel mit einem Posaunenengel.

 

Neben der reichen Malerei im Chorraum: Fresken, gemalte Kapitelle, Balkone und Gesimse, wirkt die einfache schlichte Dekoration im Langschiff als sanfter, stiller Kontrast.

 

Impressionen aus der Wallfahrtskirche in Maria Rain

 

Gegenüber der Kirche liegt der Alpengasthof „Hirsch“. Hier bin ich eingekehrt. Auf der Karte standen Pilzgerichte: Waldpilze, Steinpilze, Pfifferlinge. Ich liebe Pilze aus der Pfanne.

 

Der Wirt verriet, dass die Pfifferlinge ganz frisch seien. Also nahm ich sie, mit Lauch und Zwiebel in Butter gebraten und einen Semmelknödel, ohne Sauce. Es schmeckte wunderbar. Das beste Pilzgericht, das ich seit langem gegessen habe. Der Wirt allerdings meinte: „Ich bin nicht so zufrieden. Sie schmecken halt nicht so wie selbst gesammelt.“

Welch ein Genuß müssen dann erst die selbst gesammelten Pilze sein!

 

 

Nach dem Essen wanderte ich aus dem Ort hinaus, der Himmel war ein wenig heller geworden.

 

 

Trotzdem hing dünner Nebel über dem Land, die Berge zogen immer wieder Wolken über sich.

Ich lief nicht wieder zurück zum Schwäbisch-Allgäuer-Wanderweg, (ich hasse „Zurückgehen“) sondern ereichte ihn nach der Karte über andere Wege.

 

 

In Denkerpose die Silhouette einer Kuh. Worüber sie wohl sinniert?

 

 

Vielleicht???

„Nur wer den Gipfel des Berges erstiegen, vermag in die weiteste Ferne zu sehen.“???

 

 

Andere Kühe liefen am Weidezaun neben mir her und ließen sich zwischen den Ohren kraulen.

 

     

 

Als ich bei meinem Gasthof ankam, war dieser geschlossen. Unschlüssig stand ich herum, wollte gerade mein Handy hervorholen, als der Wirt kam.

Das Restaurant war dabei umzuziehen, Doch selbstverständlich könne ich mein Zimmer haben, auch am anderen Morgen frühstücken. Nur zum Abendessen müsste ich mich ins Kurhaus am Ende der Stadt begeben, dort sei ihr Restaurant offen.

Ich hatte ein nettes Zimmer. Auf das Bad mit Tageslicht wurde ich im Besonderen hingewiesen.

 

Das Wetter wurde ungemütlicher und kalt. So trank ich nur einen Kaffee im Kurhaus. Dann zog ich mich auf mein Zimmer zurück und das erste Mal auf meinen Wanderungen machte ich am Abend den Fernseher an.

Oy-Mittelberg präsentierte sich mir nicht von seiner Schokoladenseite.

 

 

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