7. Tag

 

Von Pfronten bis Schattwald

 

 

Der Himmel war voller tiefer Wolken. In der Nacht hatte es geregnet. Es nieselte noch ein bißchen. Doch Gewitter waren keine angesagt. Um halb neun Uhr brach ich auf, die Vils aufwärts wandernd, weiter auf dem E 4, dem ich schon von Füssen aus folgte.

 

Nach der Vilstalsäge hörte der Asphaltbelag auf. Ein breiter Forstweg führte leicht bergan. Manchmal marschierte ich genau neben der Vils, manchmal war sie tief eingeschnitten, ich sah sie nicht, hörte nur ihr Rauschen

 

     

 

Die Wolken kamen immer tiefer, der Nebel wurde stellenweise richtig dicht. Wanderer begegneten mir nicht. Ein Bauer auf einem Traktor fuhr vorbei. Drei Radfahrer überholten mich. Beim Abzweig nach Jungholz, sah ich über der Wiese ein Paar mit leichten Schuhen laufen.

Ein Reiher flog vor mir auf, als ich an das nahe Ufer ging, um einen Blick entlang des Flusses zu haben.

Die Kälberhofalpe (Kalbelehof) lag bei diesem nassen Wetter einsam in den Wiesen und wirkte traurig.

Wie nahe Trauer und Freude beieinander liegen, zeigte sich mir kurz nach einem Weidegatter.

 

     

 

Wenige Schritte weiter überquerte ich die Vils an einer Furt. Vor lauter Gedanken über die Vergänglichkeit des Daseins hatte ich den Weg und die Brücke übersehen

Links führte ein Weg zum Vilsfall und nach Kappl. Ich aber wollte nach Rehbach. Viele Erinnerungen sind mit Rehbach und Schattwald verbunden.

Als junges Mädchen war ich hier mit Freunden zum Skifahren – obwohl ich es nie lernte, war es eine schöne Zeit. Abend gingen wir oftmals nach Rehbach zum Weintrinken. Vor dem Rückweg grauste es uns jedes Mal: kalt, weit, viel Schnee. Darum zögerten wir den Heimmarsch immer hinaus, bis der Wirt uns aus Sorge aufforderte zu gehen oder anbot, dass der Schneepflug uns mitnehmen könnte. Das war das Beste und immer eine Gaudi.

Dieser Erinnerung wegen war mein Ziel Schattwald und dort der Gasthof zur Post, wo wir damals immer zu Abend aßen. Das Essen war billig und reichlich, wir waren hungrig und hatten wenig Geld.

 

 

Jetzt nahm ich den Abzweig zum „Gasthaus Rehbach“. Ich querte nochmals die Vils, diesmal auf einem Holzsteg und es begann ein steiler Aufstieg. Gaaaanz langsam setzte Regen ein, fast nicht bemerkbar, um dann rasch stark und heftig zu werden. Die Wolken lagen fast auf.

 

 

Aus dem ehemals kleinen Gashof war ein elegantes Landhotel geworden. Gemütlich jedoch war es noch immer.

 

 

Außer mir, war nur noch eine Dame in meinem Alter in der Gaststube. Doch nach eine halben Stunde war der Raum gestopft voll mit Wanderern.

Nach dem Mittagessen machte ich mich auf Richtung Dorf Schattwald. Unterwegs überholte ich die Dame, mit der ich kurze Zeit den Gasthof für mich hatte Sie selbst hatte ihren Wagen am Moosweiher stehen. Wir hatten eine nette Unterhaltung und „verbesserten die Welt, denn früher war halt doch alles vollkommener.“

Unterwegs zeigte sie mir 2 Orchideen in der Moorwiese am Weg, deren Namen wir beide nicht kannten.

 

     

 

Kurz nach dem Moosweiher erreichte ich den Ortsrand von Schattwald. Immer noch war in meiner Erinnerung der Schlagbaum an der ehemaligen Grenze präsent. Ganz kurz hatte ich den Eindruck irgendetwas fehle.

Zwei der Häuser, in denen wir damals ein privates Zimmer gemietet hatten, erkannte ich wieder. Das eine war moderner geworden, das andere sah noch so aus wie früher. Sogar die Bank stand noch vor Tür und es war mir, als müsste die alte Bäuerin, die uns damals beherbergte, heraus kommen.

An den ersten Satz, den sie voll Empörung an mich richtete, erinnere ich mich noch sehr gut: „Ich nehme keine Kinder!“ Zöpfe hatte ich mir geflochten und trug eine Pudelmütze. Damit mag ich recht kindlich ausgesehen haben. Mit meinem Ausweis musste ich ihr beweisen, dass ich schon weit über 14 Jahre war.

Sie wird schon lange nicht mehr leben.

 

Ich erreichte den Alpengasthof Post. Irgendwie kam er mir heimatlich vor.

 

     

 

Ich hatte mich noch nicht einmal in meinem sehr gemütlichen Zimmer eingerichtet, da kamen schon Christian, Bianka und Katharina: Sohn, Schwiegertochter und Enkeltochter. Sie wollten eine Nacht bleiben und mich am nächsten Tag mit nach München nehmen.

 

 

Katharina spielte mit ihrem Vater „Regenzwerge“.

Das war ein wunderschöner Abschluß meiner Wanderung, auch wenn das Wetter es am letzten Tag und dem darauf folgenden mit uns nicht freundlich meinte. Trotzdem unternahmen wir einen Spaziergang durchs Dorf. Als wir zum Hotel zurückkamen, immerhin hat aufgehört zu regnen, entschieden wir, den Nachmittagskaffee in Hausgarten zu nehmen. Es gab nämlich einen Sandkasten mit Spielzeug, was Katharina sehr zufrieden stimmte.

 

 

Der Seniorwirt brachte uns Kissen und zeigte uns das nahe Nest eines Rotschwänzchen in einem aufgegebenen Hausbriefkasten. Wo Vögel so nah und zutraulich nisten, müssen glückliche Menschen wohnen.

 

Am Abend saßen wir zufrieden in der heimeligen Gaststube und genossen ein vorzügliches Essen.

 

 

 

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