Im Reich der Nebelfrau

 

 

Es war einmal ein Königssohn, der langweilte sich schon den ganzen Tag. Endlich verließ er das Schloß. In den Wiesen, stieg bereits der Nebel auf. Weil ihm nichts Rechtes einfiel, sammelte er Steine und begann, nach den schemenhaften Silhouetten zu werfen, die im Nebel vor ihm auftauchten. Das gefiel ihm. Er versuchte nach dem Klang beim Auftreffen zu erraten, wohin der Stein geflogen sein und was er getroffen haben könnte. Manchmal hörte es sich an wie Holz, manchmal wie Fels, ab und zu schienen die Steine in Moor oder Wasser gefallen zu sein.

Plötzlich klirrte es wie zersprungenes Glas und ein leiser Wehlaut erklang.

Aus den Nebelhüllen erhob sich eine flüchtige helle Gestalt, schwebte über seinen Kopf und verschwand.

Beunruhigt kehrte der Königssohn ins Schloß zurück. In der Nacht wälzte er sich schlaflos hin und her. Immer wieder dachte er an den Seufzer, den er gehört hatte.

Am nächsten Morgen, es war ein klarer Tag, ging er schon mit Sonnenaufgang hinaus. Er wollte die Ursache für das Klirren und den Seufzer ergründen. Nach langem Suchen fand er das Bruchstück eines Spiegels. Daraus sah ihn ein Mädchen an, so lieblich und schön, dass er sich auf der Stelle verliebte. Aber das Mädchen blickte ihn traurig, mit Tränen in den Augen an. Sein Herz wurde ihm schwer. Seine Schuld war es, daß dieses schöne Mädchen weinte.

Er musste es finden. Dieses Mädchen wollte er wieder fröhlich machen. Dieses Mädchen sollte seine Frau werden und mit ihm als Königin in seinem Reich herrschen.

Der Königssohn wickelte den Spiegelsplitter in ein weiches Tuch und barg ihn in seinem Gürtel. Er sattelte sein Lieblingspferd und zog in die weite Welt.

Er ritt in einem fort, bis er endlich eines Abends am Rande eines dunklen Moores an ein niedriges Häuschen kam.

Ein sehr alter Mann saß darinnen. Sein Bart war über den Tisch gewachsen und hing bis zum Boden. „Was suchst du hier?“ fragte der alte Mann. Nahe ging er zum dem alten Mann, zeigte ihm den Spiegelsplitter mit dem Bildnis des wunderschönen Mädchen, erzählte seine Geschichte und sagte am Ende: „Ich muß dieses Mädchen ganz schnell finden. Ich will gut machen, was ich ihr angetan habe, und sie soll meine Frau werden.“

Der alte Mann lächelte milde und sprach: „Ungestüm ist stets der Jugend eigen. Doch nur Beharrlichkeit führt ans Ziel. Bleibe über Nacht Gast in meinem Haus, morgen werde ich dir mehr sagen.“

Diese Nacht wurde eine Last für den Königssohn. Seine Ungeduld ließ ihn den Schlaf nicht finden. Am frühesten Morgen erhob er sich von seinem Lager, übernächtigt, jedoch voller Unruhe das Erscheinen des Alten erwartend.

Dieser kam erst als die Sonnenscheibe bereits eine Handbreit über dem Horizont stand. „Du wirst lernen müssen, Geduld zu haben.“ redete er den Königsohn an. „Das Mädchen, das du suchst, stammt aus dem Nebelreich. Du wirst Hilfe nötig haben, um sie zu finden. Also zerstöre nicht die Hilfsbereitschaft Dritter durch deine Unrast. Meine Hilfe ist nur dieser Rat: <Der Morgen ist stets klüger als der Abend.>

Reite weiter bis du an ein Schloß kommst. Dort wohnt meine Schwester, die Nebelfrau. Sie kann Dir weiterhelfen, wenn sie dich ihrer Hilfe für würdig erachtet.“

Der Königssohn bedankte sich. Er nahm den Spiegelsplitter aus seiner Tasche. Jeden Morgen betrachtete er das Bild des Nebelmädchens, Es machte ihm stets neuen Mut. Heute glaubte er, dass die Tränen in den Augen des Nebelmädchens versiegt waren. Mit freudigem Herzen ritt er weiter bis er an das Schloß kam.

Nebel umhüllten es wie graue Spinngewebe. Er pochte kräftig ans Tor. Nichts rührte sich. Niemand öffnete. Ungeduldig ballte er die Faust, um noch lauter zu klopfen. Da legte sich eine dunkle Nebelwand vor sein Gesicht und er konnte nichts mehr erkennen. Er versuchte sich voranzutasten, das Schloß wieder zu finden. Doch es war verschwunden und er irrte orientierungslos umher. Verzweifelt gab er auf, hockte sich hin und vergrub den Kopf in seinen Armen, als er bemerkte, wie eine smaragdgrüne Eidechse versuchte, an seinem Hosenbein empor zu klettern. „Hilf mir!“ flüsterte sie. Unwillkürlich barg der Königssohn die Eidechse in seiner Hand. Da glitt eine schwarze Schlange neben seinen Schuh, hob suchend den Kopf und verschwand wieder in den Nebelschwaden.

Der Königssohn hob die Eidechse zu seinem Gesicht und sah sie genau an. „Da haben wir Glück gehabt, “ sagte er. „Pst “, sprich leise, „wisperte die Eidechse. „Du bist im Reich der Nebelfrau. Hier überlebt nur, wer es versteht, leise zu sein. Was willst du hier?“

Der Königssohn erzählte ihr flüsternd, was ihm bisher begegnet war. „Ich werde dich zurück vor das Tor bringen. Dann sprich hauchleise, <bitte öffnet mir,> und das Tor wird aufgehen. Achte darauf nicht den geringsten Lärm zu machen.“

 

Die Eidechse leitete den Königssohn ans Tor und wie sie gesagt hatte, als er fast unhörbar sprach „Bitte öffnet mir, “ ging das Tor auf.

Der Königssohn trat in einen weiten Saal, in dem hellgraue und weiße hauchdünne Schleier sich wie in einem leisen Wind bauschten, jedes Mal eine andere Perspektive des Saals aufzeigend.

Wie aus weiter Ferne hörte der Königssohn eine laute, harte Stimme, von der er nicht wusste, woher sie kam „Gib mir den Spiegelsplitter, den du bei dir trägst. Lege ihn vor dir auf den Boden und kehre zurück in dein Land, sonst bist du des Todes.“ “Nein!“, beinahe hätte der Königssohn geschrieen. Rechtzeitig erinnerte er sich an den Rat der Eidechse. „Nein“, flüsterte er „Ich kehre nicht zurück, bevor ich dieses Mädchen nicht gefunden habe. Helft mir, so ihr Mitleid mit einem Liebenden habt.“ Flehend hob er die Hände, nicht wissend gegen wen.

Da stand plötzlich zwischen den Schleiern eine hochgewachsene, graue Frau, die Nebelfrau.

„Gut, dass Du leise warst, sonst wäre von dir nur noch ein Hauch geblieben, unstet streifend über den Mooren“, sprach die Nebelfrau „Das Mädchen, das du suchst, gehört meinem Volk an. Du hast ihren Lebensspiegel zerstört, dadurch hat ein Unhold Macht über sie bekommen. Wenn du sie wirklich liebst, dann hüte diesen Spiegelsplitter wie deinen Augapfel. Höre nicht auf Drohungen oder Versprechungen, gib ihn nicht weg. Nur du wirst sie erlösen können. Deine Hände haben den Spiegel zerbrochen, Deine Hände müssen ihn wieder zusammensetzen. Dann ist die Macht des Unholdes gebrochen.“

„Alles werde ich tun, “ versprach der Königssohn, „nur sage mir, wie ich sie finde.“

„Nimm diese graue Kugel. Sie wird vor dir herrollen und dir den Weg zeigen. Gehe nicht sofort“, hielt die Nebelfrau ihn auf, „im Nebel wirst du die Kugel nicht sehen. Warte, bis morgen die Sonne aufgegangen ist.“

Und wieder verbrachte der Königssohn eine unruhige Nacht. Zuletzt schlief er doch vor Erschöpfung ein .Er erwachte erst, als die Sonne schon hoch am Himmel stand. Erschrocken sprang er auf. Das Schloß war verschwunden. Nichts erinnerte mehr an den vergangenen Tag. Er blickte in den Spiegelsplitter und das Nebelmädchen schien ein Weniges seiner Trauer verloren zu haben. Er lächelte glücklich. „Du sollst bald wieder lachen.“ versprach er.

Neben ihm stand sein Pferd. In seiner Hand lag fest die graue Kugel. Vorsichtig legte er sie auf die Erde und siehe, sie begann vor ihm herzurollen.

Voll Freude schwang er sich in den Sattel, ritt hinterher, auf Berge und durch Täler, über Wiesen und durch Moore.

Plötzlich tat sich vor ihm ein tiefer Graben auf. Sein Pferd scheute. „Ho!“ rief er, es anfeuernd. „Vorwärts!“

Da schloß sich eine Nebelwand um ihn, obwohl eben noch strahlend die Sonne geschienen hatte. Der Königssohn hatte das Stille-Gebot vergessen.

Verzweifelt versuchte er der Nebelwand zu entfliehen. Doch wohin er sich auch wandte, der Nebel hatte alles verschlungen. Er stolperte über Wurzeln, stieß an Äste, gegen Bäume. Entmutigt und verzweifelt lehnte er sich gegen sein Pferd und murmelte in dessen Mähne: „Ich habe versagt, ich bin zu nichts nütze.“

„Verzweifle nicht“, flüsterte es neben seinem Ohr. In der Mähne des Pferdes saß die kleine Eidechse. „Du hast mir geholfen, ich helfe dir. Umwickle die Hufe deines Pferdes, damit sein Schreiten lautlos sei, denn jetzt wirst du über Felsen und Steine reiten.“

Der Königssohn zerriß sein Hemd, um die Hufe seines Pferdes zu umwickeln.

„Jetzt nimm ein Haar aus der Mähne deines Pferdes, binde das eine Ende um seinen rechten Vorderfuß, das andere Ende an meinen Schwanz. “ Der Königssohn tat auch dies.

„Steige auf. Ich führe euch, doch achtet darauf, das Haar nicht zu zerreißen!“

Der Königssohn beugte sich über den Hals seines Pferdes und sprach beruhigend auf es ein, denn nun folgten sie der Eidechse wie Blinde im undurchdringlichen Nebel.

Nach einiger Zeit, sie mag lang oder kurz gewesen sein, fand sich der Königssohn auf einer Anhöhe. Weit konnte er über das Land bis zu den blauen Bergen sehen, um die dünne Nebel hingen. Eben ging die Sonne unter.

Er beugte sich herab zu der Eidechse: „Ich danke dir“, sprach er, „wie aber finde ich den rechten Weg? Ich habe die graue Kugel der Nebelfrau verloren.“

„Verbringe hier die Nacht, dann wirst du weitersehen. Der Morgen ist stets klüger als der Abend“, erwiderte die Eidechse.

 

Als der Königssohn am nächsten Morgen erwachte, zog er als erstes den Spiegelsplitter aus der Tasche. Das Nebelmädchen darin schien ein wenig zu lächeln. Das gab ihm neue Kraft.

Da stand plötzlich neben ihm ein junges hübsches Mädchen. „Oh, du hast einen Spiegel“, rief sie freudig aus. „Bitte gib ihn mir. Laß mich hineinsehen, ob meine Haar in Ordnung ist.“ „Nein“, sprach er Königssohn ernst. „Diesen Spiegel gebe ich nie aus der Hand.“ Das Mädchen schmeichelte ihm und bettelte, doch der Königssohn ließ sich nicht erweichen. Zuletzt lachte sie gellend auf und war verschwunden. An ihrer Stelle stand die Nebelfrau. „Gut hast du getan, darum will ich dir noch einmal weiterhelfen, obwohl du noch immer ein leichtsinniger Bursche bist.

Höre auf: reite in Richtung der blauen, nebelverhangenen Berge. Am Ende des ersten Tages wirst du an einen Hof kommen. Darin wohnt eine Hexe. Wenn du ihr drei Tage nach ihrem Willen dienen kannst, muß sie dir einen Lohn geben. Verlange nichts als ein Ei von ihrem weißen Huhn. Das wirst du brauchen.“

Gegen Ende des Tages erreichte der Königssohn den Hof der Hexe.

Die Hexe kam ihm schon entgegen. „Willst du Arbeit? Ich suche einen Hirten.“ „Gut, drei Tage werde ich dir dienen. Danach musst du mich entlohnen.“ Die Hexe grinste boshaft, war jedoch einverstanden.

Sie schickte ihn des Abends mit ihren Ziegen auf die Weide. „Sei morgen eine Stunde vor Sonnenaufgang mit der Herde zurück. Wenn nicht, so musst du mir den Spiegelsplitter geben, den du in deinem Gürtel hast.“

Der Königssohn erschrak, ließ sich aber nichts anmerken und ging. Am Rand der Weide setzte er sich nieder und begann seine Abendmahlzeit zu essen. Da kam eine Maus und bat ihn um ein Stück Brot. Bereitwillig gab er es ihr. Gegen Mitternacht wurde er müde und schlief ein. Als er erwachte, waren alle Ziegen verschwunden. Wie erschrak der Königssohn. Doch da kam die Maus herbei gelaufen. „Ich weiß, wo die Ziegen sind. Sie sind 10 Klafter unter der Erde. Ich werde sie so lange beißen, bis sie wieder heraufkommen.“

Das gelang der Maus und der Königssohn konnte zur rechten Zeit alle Ziegen zurückbringen.

Am nächsten Abend befahl die Hexe dem Königssohn, die Pferde auf die Weide zu bringen und sie zwei Stunden vor Sonnenaufgang zurückzubringen.

Als er gerade zu Abend aß, kam ein Vogel und bat um ein Stück Brot. Er gab es ihm. Und obwohl der Königssohn versuchte nicht einzuschlafen, so gelang es ihm nicht. Als er erwachte, waren die Pferde verschwunden. Da kam der Vogel und sagte ihm, dass sie auf der dunkelsten Wolke wären. Er aber wolle hinauffliegen und so lange auf ihren Rücken picken, bis sie zurückkämen.

Das tat der Vogel und der Königssohn kam rechtzeitig mit allen Pferden bei der Hexe an.

Die Hexe war wütend, da er bisher jede Aufgabe erfüllt hatte Darum dachte sie sich etwas aus, von dem sie glaubte, daran werde der Königssohn scheitern.

Am Abend schickte sie ihn mit den Gänsen auf die Weide und befahl ihm, drei Stunden vor Sonnenaufgang zurück zu sein. Eine der Gänse behielt sie jedoch zurück, um sie zu schlachten. Als der Königssohn sein Abendbrot auspackte, kam ein Adler geflogen und bat um ein Stück Brot. Der Königssohn gab auch ihm bereitwillig und schlief sofort darauf ein. Als er erwachte, waren die Gänse verschwunden. Da kam der Adler und sagte: „Sie sind auf einer Insel im Meer. Ich werde sie zurückjagen.“ Doch wie er sie zurückgebracht hatte, riefen die Gänse laut: „Eine fehlt, eine fehlt!“

Sofort kehrte der Adler um, aber er konnte die fehlende Gans nicht finden. Auf dem Rückweg flog er über das Haus der Hexe. Diese vergrub eben den Kopf der Gans im Hof, den Körper aber versteckte sie unter einem Reisighaufen. Sie wollte ihn später braten.

Sobald die Hexe ins Haus zurückgekehrt war, grub der Adler mit seinen starken Fängen den Kopf aus. Er brachte ihn dem Königssohn. Dieser steckte ihn in seine Tasche und kam rechtzeitig zum Hof der Hexe zurück.

Sofort begann die Hexe zu schreien: „Es fehlt eine Gans. Du hast deine Aufgabe nicht erfüllt! Gib mir sogleich den Spiegelsplitter aus deinem Gürtel!“

Der Königssohn zog den Gänsekopf hervor. „Der Rest dieser Gans wird sich auf deinem Hof finden!“ Da kam der Adler angeflogen, stürzte sich auf den ‚Reisighaufen und zog den Körper der Gans hervor.

Nun konnte die Hexe dem Königssohn nichts mehr anhaben. Sie bot ihm Gold und Perlen als Lohn. Der Königssohn aber verlangte nichts als ein Ei ihres weißen Huhnes. So sehr die Hexe sich auch wehrte, sie musste es ihm geben.

Dann bestieg er sein Pferd und ritt weiter in Richtung der blauen Berge

Am Weg saß ein stattlicher Mann. Aber er sah müde und erschöpft aus. „Kannst du mich ein weniges mitnehmen. Ich bin schon seit Tagen unterwegs. Bei einem Sturz habe ich mir das Bein verletzt und kann kaum noch auftreten.“

Der Königssohn ließ ihn hinter sich aufs Pferd setzen und brachte ihn bis an sein Ziel, eine Mühle. Sofort kam des Müllers Frau heraus, bat den Königssohn einzutreten und bewirtete ihn. Auf die Frage, was ihn denn in diese abgelegene Gegend bringe, erzählte er seine Geschichte.

„Ich muß diese Mädchen finden, koste es mein Leben.“ Rief der Königssohn ungeduldig aus. „Weißt du, wie ich den Unhold finde, der sie in seiner Gewalt hat?“

„Nur ruhig, Ungeduld hat noch niemandem geholfen. Der Unhold ist ein Untier. Es bewacht die Nebeltochter in seiner Höhle. Du kannst es nur überlisten, wenn es schläft. Und es schläft nur, wenn ein Sonnenstrahl sein einziges Auge trifft, das es mitten auf der Stirn hat.“ Der Königssohn wollte sofort aufbrechen, obwohl der Abend schon angebrochen war.

 

„Des Nachts erreichst du gar nichts“, sprach der Müller, “bleibe heute hier und ruhe dich aus. Der Morgen ist stets klüger als der Abend.“

Am nächsten Tag gab ihm der Müller ein Säckchen Mehl. „Benutze es klug“, riet er dem Königssohn.

Dieser bedankte sich und machte sich wieder auf den Weg. Vorher aber blickte er noch in den Spiegelsplitter, wie er es immer tat. Und siehe, das Nebelmädchen lächelte.

Nach einiger Zeit - sie mag lang oder kurz gewesen sein - kam e an eine Höhle. Davor lag das Untier. Sein Kopf war der eines Drachen, sein Körper der einer Schlange, seine sechs Beine hatten die Pranken eines Löwen. Sein einziges Auge rollte hin und her, damit ihm nichts entgehen sollte. Dem Königssohn schauderte.

Vorsichtig schlich er sich näher. Die Sonne schien durch das Laub der Bäume, aber kein Sonnenstrahl traf das Untier. Da holte der Königssohn den Spiegelsplitter aus seinem Gürtel. „Entschuldige,“ sprach er zu dem Bild des Nebelmädchens, „ich brauche diesen Splitter jetzt, um das Untier einschlafen zu lassen.“ Das Nebelmädchen nickte aus der Spiegelscherbe und lächelte ihn an.

Mit der Spiegelscherbe lenkte der Königssohn einen Sonnenstrahl direkt in das einzige Auge des Untiers. Sofort schlief es ein und begann zu schnarchen, dass die Bäume zitterten.

 

An dem Untier vorbei schlich der Königssohn in das Innere der Höhle. Ganz am Ende fand er, auf Stroh liegend das Mädchen, welches ihm aus dem Spiegelsplitter angeschaut hat. Wie froh war er, sie gefunden zu haben, und auch sie lächelte ihn glücklich an.

„Hier ist der Splitter. Laß ihn mich einpassen, damit das Untier keine Macht mehr über dich hat.“ Flüsterte der Königssohn.

Das Nebelmädchen schüttelte den Kopf.

„Den Spiegel bewacht das Untier. Er liegt unter seiner Zunge.“

 

Da nahm der Königssohn das Mehl und das Ei, knetete einen Teig daraus und formte drei Klöße. Vorsichtig schlich er zurück zu dem Untier, um ihm, wenn es beim Schnarchen das Maul öffnete, die Klöße einen nach dem anderen hineinzuwerfen. Im Rachen des Untiers begannen die Klöße aufzugehen, sie wurden dick und hart, Das Untier konnte sein Maul nicht mehr schließen. Es erwachte, glaubte zu ersticken, bäumte sich auf und schnappte mit weit geöffnetem Maul nach Luft. Dabei griff der Königssohn mutig in den fürchterlichen Rachen des Untiers und zog den Spiegel heraus. Rasch passte er das fehlende Stück ein.

Kaum war das geschehen, da tat es einen lauten Knall, dass Untier fiel zusammen, schrumpfte und schrumpfte, bis es am Ende nur noch ein dünner, kleiner Wurm war, der zu Erde wurde.

Der Königssohn gab den jetzt vollständigen Spiegel dem schönen Nebelmädchen zurück. Es konnte wieder lachen und es lachte ihn an. Der Königssohn nahm es an der Hand und zog mit ihm in sein Reich.

Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heut.

 

 

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