4. Tag

 

Von Schongau nach Lechbruck

 

 

Es nieselte, wurde Regen. Ich holte meinen Anorak heraus und zog vorsorglich die Schutzhülle, das „Verhüterli“, über meinen Rucksack.

 

 

Heute bin ich um halb acht Uhr aufgebrochen. Ich verließ Schongau durch das schmale Tor im Polizeidienerturm.

Es nieselte, wurde Regen. Ich holte meinen Anorak heraus und zog vorsorglich die Schutzhülle, das „Verhüterli“, über meinen Rucksack.

 

 

Auf gut Glück lief ich durch die Siedlungsstraßen vor der Stadtmauer Richtung Dornau und fand auch auf den Lechhöhenweg wieder hoch über dem Schongauer Lechsee. Der Regen hatte nachgelassen. Vor mir spannt sich die Brücke der B17 über den See. Unter dieser muß ich hindurch, um dann entlang des Lechs, wie meine Karte zeigt, weiter zu gehen. Allerdings konnte ich nicht erkennen, ob der

 

 

Weg nahe am Ufer oder ob er oberhalb des Flusses verläuft. Zur Auswahl stehen mir ein schmaler Pfad abwärts und eine breiterer Weg leicht aufwärts. Hinter mir tauchte ein Nordic-Walker auf. Ich wartete auf ihn, um ihn zu befragen, doch er hatte keine Ahnung und verwies mich auf zwei Frauen, die noch weiter hinter mir heranwalkten. Sie hatten eine ungefähre Ahnung von der Richtung. Die hatte ich auch. Sie meinten, der bessere Weg sei in jedem Fall, jener, welcher entlang der Wiese zum Wald hinauf ging.

 

 

Ich folgte ihm, fand auch das L wieder. Trotzdem ging es „gefühlt“ kreuz und quer durch den Wald, an einer kleinen Wiese vorbei, beweidet von einer einsamen Kuh mit Glocke.

Dann wieder weiter durch hohen Wald. Der Himmel war kaum zu sehen, und wenn, dann schien er grau zu sein.

 

 

Ab und zu gewährten die Bäume einen Blick auf den Lech und zeigten, dass ich noch immer auf einer Hochterrasse wanderte.

 

     

 

Doch als der Weg den Wald verließ, eröffnete sich mir ein herrliches Panorama: Mein Blick trug mich über weite Wiesenhügel und -kuppen, über dunkle Waldstücke bis zu den Felsmassiven der Alpen. Letzte Schneefelder leuchteten in der Sonne.

 

 

Zu meiner Linken eröffnete sich ein Alpenblick von mehr als 90 Grad Ich war begeistert. Der Wald war mir doch zuletzt zu dunkel gewesen und hatte das Auge eingeengt.

 

Weiter führt der Weg über Weiden und Wiesen, er schneidet einige Windungen des Flusses ab.

Der Wind auf den Höhen blies stürmisch, im Westen sah es nach Regen aus. Jedoch vorwärts, nach Süden gab es typisch weiß-blauen Himmel. Das Wetter, der Blick nach vorne, alles stimmte mich euphorisch.

In der Ferne grüßt der Auerberg. die Kirche auf seiner Spitze strahlt in der Sonne. Letztes Jahr, als ich den Prälatenweg erwanderte, machte ich Brotzeit auf dem Auerberg.

 

 

Wieder geht es durch einen Wald, allerdings nur kurz, dann über Wiesen. Ein Hof liegt etwas erhöht rechterhand. Vorher jedoch biegt der Lechhöhenweg links ab gegen ein Wäldchen. Die Wegweiser und das L waren gut sichtbar und eindeutig.

Doch nach dem kleinen Wald sollte es rechts einen Pfad hinaufgehen zur Hochkante an der Litzauer Schleife.

Ein Zeichen war angebracht. Ein Weg, ein Steg, ein Pfad, eine Spur war nicht zur erkennen. Also marschierte ich durch die Wiese hinauf. Fast an der Kante zur Litzauer Schleife stand mitten zwischen hohem Gras wieder ein Wegzeichen - ohne dazu gehörenden Weg.

Ich machte eine Rast auf der Hangkante und blickte hinab auf den tief unten fließenden Lech.

Die Litzauer Schleife ist der letzte Wildflußabschnitt des bayerischen Lechs. Er ist stetiger Veränderung unterworfen. Früher bestimmten offene Kies- und Sandbänke die Lechauen. So fand man zum Beispiel zahlreiche Tamarisken, die Hochwasser gut überstehen. Mit dem Bau der Lechstaustufen wurde Hochwasser seltener, Weiden und Grauerlen breiten sich auf den einstmals offenen Kiesflächen aus. Trotzdem findet man noch seltene Pflanzen wie den Kies-Steinbrech, die Sumpf-Gladiole oder den Frauenschuh.

 

 

Auf jeden Fall vermittelt der Blick hinunter einen Eindruck von der ursprünglichen Landschaft.

Der Bund Naturschutz und engagierte Bürger sorgen für den Erhalt dieses Naturschutzgebietes.

 

Während ich so saß und die Landschaft genoß, gaukelten Schmetterlinge vor mir von Blume zu Blume als führten sie ein Ballettstück auf. Ein Milan erhob sich aus der Tiefe und schwebte keine 5 Meter über mir. Etwas weiter entfernt schraubte ein Habicht sich im Aufwind empor. Im nahen Baum turnte ein Eichhörnchen. Es tat mir leid, diesen Frieden zu stören, als ich weiter ging.

 

Ich folgte der Hangkante bis ich auf einen Feldweg traf. Der lief Richtung Burggen. Noch einmal ein Blick auf die Litzauer Schleife, dann führt mich das L über einige Wiesen, Wälder hinab zur Forchenmühle.

 

     

 

Dann wieder aufwärts zu einer Waldecke, dort links den Waldrand entlang bis zur Höhe und hier bot sich ein phantastischer Blick auf die Alpen.

 

 

Auf breitem Forstweg geht es weiter. Dann leitet die Markierung wieder in den Wald.

 

 

Ab diesem Wegkreuz fehlte sie mir. Doch es war nicht weit bis zur Lechkante. Also, dachte ich, wenn ich nur entlang der Hochkante gehe und in die richtige Richtung kann nichts falsch sein. So war es auch.

 

 

Heute bin ich allerdings oft aufs Geratewohl, hin und wieder auch fehl gegangen.

 

Ich lief immer hart am Rand des Abhangs. Der Lech schimmerte herauf. Steil fällt der Weg ab und mündet auf eine Straße. Ab Gut Dessau läuft er am Ufer des Lechs bis zur Staustufe 4. Hier querte ich den Lech, um am anderen Ufer dem Flusslauf weiter zu folgen.

Nun zeigt da L nach links hinauf in die Weiden und Wiesen. Oben bietet sich wieder ein herrlicher Blick auf die Alpenkette.

Ich wandere weiter, die Alpen im Blick. Unter einem alten Baum am Wegrand mache ich eine kurze Pause, nur um das Panorama zu genießen

 

 

Jetzt ist es nicht mehr weit bis zur Staustufe 3. Über die Dammkrone komme ich zu der Badebucht am See, an der ich im letzten Jahr nach Urspring abgebogen bin. Heute gehe ich den Weg in umgekehrter Richtung nach Lechbruck.

Der Weg führt etwas bergan. Letztes Jahr weideten hier Ziegen auf einer kleinen umzäunten Wiese. Durch ein Wäldchen über Wurzeln und Erdtreppen. komme ich wieder ans Ufer des Stausees Urspring. Es geht am Ufer entlang, dann ein wieder wenig hinauf, später über eine Holzbrücke, die einen sich in den Auenwald schmiegenden Weiher überspannt.

 

War nicht letztes Jahr diese Brücke eher ein Steg? Konnte man nicht letztes Jahr das Ufer des Lechs nur erahnen? Lief ich nicht im letzten Jahr über einen schmalen, fast versteckten Pfad durch einen kleinen Urwald?

 

Dieses Jahr war aus dem Pfad ein gepflegter Weg geworden. Die Heimeligkeit, die Verwunschenheit war verloren, dafür ergaben sich neue Ausblicke. Das Naturwehr, auf welches ich im vorigen Jahr nur durch das Rauschen des Wassers aufmerksam wurde, war jetzt offen einsehbar.

 

     

 

Am Ende des Weges liegt rechts die Lechbrücke. Über sie wanderte ich nach Lechbruck hinein. Der Gasthof, in dem ich ein Zimmer bestellt hatte, öffnete erst um 17.30 Uhr. Aber man ließ mich ein und gab mir einen Hausschlüssel. Ich ging in eine nahe Kneipe, um ein Weizenbier zu trinken und Aufzeichnungen zu machen.

 

 

Als ich ein Foto von der Wirtschaft machen wollte, stellte ich fest, dass der Chip im Apparat voll war. Ich geriet in leichte Aufregung. Hoffentlich gibt es in Lechbruck ein Fotogeschäft!

 

Gibt es. Doch es war Mittwoch, nachmittags geschlossen. Das konnte heiter werden. Kein neuer Chip, keine weiteren Fotos mehr. Oder ich konnte morgen erst nach 9 Uhr aufbrechen.

 

Da entdeckte ich ein kleines Kaufhaus schräg gegenüber. Vielleicht könnte man mir dort weiterhelfen.

Eine junge Verkäuferin sah mir erwartungsvoll entgegen.

„Ich suche ein Fotofachgeschäft.“

„Sie stehen in einem.“

Sie setzte mir den neuen Chip ein, verstaute den alten zur Sicherheit in einem Plastikgehäuse, und ich war erleichtert. Glück muß der Mensch haben.

Zu Abend aß ich eine Forelle, sehr gut. Die Wirtsleute waren Kroaten. Es gab einen Slibowitz, anschließend einen wunderbaren Mokka, schwarz, heiß, süß.

 

Schwarz wie die Sünde, heiß wie die Hölle, süß wie die Liebe.

 

 

 

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