5. Tag

 

Von Lechbruck nach Füssen

 

 

Um 7.20 Uhr war heute Aufbruch. Obwohl es eigentlich so früh kein Frühstück gab, hatte eine nette Frau für mich doch etwas vorbereitet. Sie erbot sich sogar, mir einen Brief zur Post zu bringen, da der nächste Briefkasten entgegengesetzt zu meiner Route sei.

Nach der Lechbrücke führt ein schmaler Treppensteig hinab zum Lech. Vor dem Weg entlang des Ufers allerdings stand eine Tafel, die vor plötzlich einsetzendem Hochwasser warnte und „Lebensgefahr“ signalisierte. Ich war überzeugt, dass im Sommer bei sonnigem Wetter keine Staustufe ihr Wehr öffnen würde und marschierte – allerdings raschen Schrittes - durch den Auenwald bis zur Schwerblmühle.

 

     

 

Türkenbund blühte am Wegrand.

 

 

Nach der Schwerblmühle geht der Weg „über das Wasser“. Ein Brettersteig macht es möglich. Er trägt mich zwischen Binsen über niedriges Uferwasser.

Dann kam ich nach Prem. Ich ging durch das Sägewerk auf den Damm nach der Staustufe 2 und war wieder auf dem Lechhöhenweg.

 

Von hier oben hatte ich einen herrlichen Blick über den Premer Lechsee auf das Gebirge.

 

 

 

Ein wunderbarer Tag hat begonnen. Lachmöven erhoben sich von ihren Schlafplätzen bei der Mündung des Halblechs und flogen über den See. Ob sie wohl zu einem Lachkonzert unterwegs waren?

Ich verließ den See und lief durch einen kleinen Auwald zum Weiler Küchele. Eine Bäuerin arbeitete in ihrem Garten. Wir begrüßten uns.

„Ganz allein unterwegs?“ frug sie

„Ja, mir gefällt das.“

„Hat ma sei Ruah,“ meinte sie kopfnickend, ,“Koaner red umsonst.“

 

Wie wahr, wenn ich an die Wandergruppen denke, die mir manchmal begegneten; die ich hörte, bevor ich sie sah und die ich noch hörte, als ich sie schon nicht mehr sehen konnte.

 

Nach dem letzten Haus von Küchele überquerte ich rechts den Halblech und stieg steil hinauf durch Wald, dem Wegweiser Höringen/Ostern folgend.

Dort, wo die Bäume einen Blick auf das Flussbett des Halblechs erlauben, sieht man hinunter auf eine Kieslandschaft. Der Fluß führte wenig Wasser. Eine Tafel informiert:

 

 

„Was auf den ersten Blick karg und steinig aussieht, zählt zum Wertvollsten und Seltensten, was die Natur Mitteleuropas noch zu bieten hat: Kiesbänke, die durch Hochwasser vom Bewuchs immer wieder freigehalten und umgelagert werden.“

 

 

Flußregenpfeifer und Flußuferläufer brüten hier und man bittet, die Vögel während der Brutzeit nicht zu stören.

 

Foto: Quelle Informationstafel

 

Die schraffierten Stellen auf diesem Luftbild der Landschaft um den Halblech kurz vor seiner Mündung in den Premer Stausee zeigen die Ruhezonen der kiesbrütenden Vögel. Diese Zonen dürfen während der Brutzeit vom 15.4. bis 15.7. nicht betreten werden.

 

Ich wanderte weiter bergan und kam auf eine freie Hangfläche. Überwältigend eröffnete sich vor ein Alpenpanorama von 180 Grad: der Säuling, die Hochplatte, der Geiselstein,… Ich kenne die Namen der Berge nicht so gut. Für mich zählt die absolute Schönheit der Natur.

Es war gerade 10 Uhr. Ein strahlend blauer Himmel mit den ersten Cumuluswolken überwölbte das Land: Grüne Matten, dunkle Baumgruppen, dazwischen einzelne Höfe, braun geflecktes Vieh auf der Weide.

Ich öffnete einen Weidezaun, um Rast zu machen unter einem Baum neben einem Kruzifix und die Landschaft zu genießen. .(schwarze Markierung im Luftbild)

 

 

Ich könnte Stunden verbringen im Anblick der Almen und Berge, Gottes eigenem Land. (siehe Band 1: „Wie das Allgäu entstand.“)

Ein Bauer fuhr auf seinem Traktor vorbei und nickte mir freundlich zu.

 

 

 

 

Irgendwann schulterte ich wieder meinen Rucksack und wanderte weiter. Der nächste Hof gehörte zu Ostern.

Über der Eingangstür war ein Gebet zu lesen, das um Gottes Segen für Haus und Menschen, Vieh, Weiden und Felder bat und darum, hier noch lange glücklich leben und selig sterben zu können.

 

 

Hier scheinen Menschen zu leben, die Gottvertrauen mit der Liebe zu Ihrer Heimat vereinen. In Bayern lebt ein bodenständiger, sinnlicher, stark diesseits orientierter Glaube, wenig mystisch orientiert.

 

Eine Kapelle rechts oberhalb des Hofes. Ob sie zum Hof gehört?

 

 

 

Es geht abwärts an die Straße von Roßhaupten nach Bayerniederhofen.

 

Bei Rauhenbichl, nahedes Schapfensees, steht am Weg ein Marterl. Es erinnert an ein Gewitter im Mai 1898, bei dem durch Blitzschlag zwei junge Burschen gestorben sind,.

Das Bild zeigt den Hof und die Scheune in Ostern.

 

 

 

Kurz danach bog ich rechts ab nach Greuth, auf einer schmalen Fahrstraße, immer noch die Berge vor mir. Der Forggensee erschien und ich erkannte Schloß Neuschwanstein in der Ferne. Ab dem Hergratsrieder See war das Sträßchen für Autos gesperrt. Trotzdem war es weiterhin ein fast durchgehend asphaltierter Weg.

 

     

 

Hof mit Kapelle am Hergratsrieder See

 

Der Lechhöhenweg führt zwischen Forggen- und Bannwaldsee nach Brunnen. In diesem Gebiet ist einer der größten Magerrasen-Komplexs des Voralpenlandes beheimatet, wie es auf einer Informationstafel heißt. Und weiter:

 

 

„Die Vielfalt der Landschaft in Morphologie und Untergrund ließ nur eine extensive Bewirtschaftung zu. die trockenen Hügelbereiche wurden als ungedüngte Weiden genutzt. Die zahlreichen Täler und quelligen Hangbereiche waren „Streuwiesen“, die erst im Herbst gemäht wurden …Auf diesen nur einmal gemähten Wiesen konnte sich eine besondere und heute zum größten Teil gefährdete Fauna und Flora einstellen.

 

 

Der Forggensee ist der größte Wasserspeicher in Südbayern. Er ist der Kopfspeicher für die abwärts gelegenen Wasserkraftwerke und dient der Hochwasserregulierung. So wie er sich heute darstellt, ist er kein natürlicher See, liegt aber in einem Becken dass nach der letzten Eiszeit einen noch größeren See Platz bot. Dieser verlandete jedoch im Laufe der Jahrhunderte.

Mit den Überlegungen für einen Stausee begann man bereits Ende des 19. Jahrhunderts, realisiert wurden diese Pläne allerdings erst 1951.

Im Sommer ist der See Naherholungsgebiet. Im Winter ist er fast leer und kann begangen werden.

 

Jetzt aber war Sommer und auf dem Weg, der auch als Forggensee-Rundwanderweg ausgezeichnet ist, herrschte reger Betrieb. Insbesondere Radfahrer bevölkerten die Strecke. Die Sonne schien heiß, kaum ein Windzug war zu spüren, der Asphalt ermüdete. So oft es möglich war, wich ich auf den Wiesenrand aus.

 

          

 

Ich beneidete ein wenig die Radler, die so leicht und wie es mir schien beschwingt vorbeifuhren. Meine Schritte dagegen wurden immer schwerer. Selbst die Schönheiten der Landschaft lenkten mich nur kurz von dem Wunsch nach einem baldigen Ende dieses Asphaltbandes ab.

 

 

Endlich erreichte ich Brunnen. Von hier könnte ich mit dem Schiff bis Füssen fahren. Eine verführerische Idee.

Doch als ich auf die Uhr schaute, da war es erst 12 Uhr Mittag. Was mir wie eine kleine Ewigkeit vorkam, war nicht mehr als eine Stunde gewesen.

Mittagszeit, ich beschloß ein Gasthaus mit schattigem Biergarten aufzusuchen und erstmal gemütlich zu essen. Weitere Entscheidungen später. Schau ´mer mal, dann wer`ma scho sehn.

 

Im Gasthaus Seeklause kehrte ich ein, bestellte mir einen Leberkäs´ mit Ei und ein Bier. Die Bedienung brachte mir freundlicherweise den Schifffahrtsplan. Das nächste Schiff ging um 14.10 Uhr.

 

 

Nach dem Essen fühlte ich mich wieder so fit, dass ich doch zu Fuß weiterging.

Ich nahm leichtsinnigerweise den voll in der Sonne liegenden Kiesweg quer über die Wiesen nach Waltenhofen.. Dann entschied ich mich aber doch für den Uferweg, denn er versprach Schatten, Dafür mußte ich wieder Asphalt in Kauf nehmen.

An der Kirche bog ich ab und hatte einen wunderschönen, weiten Blick über den See. Am anderen Ufer grüßt das Festspielhaus, das für das Musical „König Ludwig“ gebaut wurde.

 

 

Zwei einsame Wolken hingen kraftlos am Himmel

 

Füssen lag vor mir am Ende des Sees und schien nicht näher zu kommen. Meine Beine wollten schon wieder streiken. Ich setzte mich auf eine Bank ohne den Rucksack abzunehmen und hoffte in Kutscherhaltung: Beine breit, Unterarme auf den

Oberschenkeln, Nacken gesenkt, mich etwas zu entspannen.

Plötzlich eine Stimme:

„Weitwanderin?“

Vor mir stand ein „Herr“: groß, schlank, schwarze Hose mit Bügelfalte, weißes Hemd, graue Haare.

„Wie weit soll es denn noch gehen?“

„Nicht mehr weit, nur bis Füssen heute. Aber ich bin müde vom Asphalt.“

„Ich kann ihnen einen Weg sagen, der ist vielleicht sogar kürzer, auf jeden Fall nicht asphaltiert. Eventuell müssen Sie Ihre Schuhe ausziehen.“

„Nur die Schuhe“, lachte ich, „kein Problem.“

In etwa 200 Meter Entfernung zeigte er mir eine Waldecke.

„Dort geht rechts ein Weg ab. Sie müssen durchs Wasser. Auf der anderen Seite können Sie dann bequem weiter laufen.“

 

So war es auch.

Eine Furt quert den Lech kurz vor seiner Mündung in der Forggensee. Das Wasser war so niedrig, dass meine Schuhe nur zur Hälfte bedeckt waren. Keine Gefahr für nasse Füße.

Nun ging ich auf einem breiten Schotterweg durch den Auenwald von den „Ziegen- in die Schafweiden“.

 

     

 

 

Die Schafe ließen sich nicht stören, wogegen die Ziegen eine Zeitlang um mich herumstanden, als erwarteten sie etwas von mir. Vielleicht sind sie gewohnt, gefüttert zu werden.

Diese kleine Ziege versuchte hartnäckig, mich aufzuhalten. Sie schnupperte an meinen Taschen, stupste mich mit der Nase an. Als sie erkennen musste, dass ihre Bemühungen erfolglos blieben, meckerte sie mich enttäuscht an.

 

 

An einem Steinbruch erreichte ich wieder den alten Weg und war kurz darauf in Füssen. Hier endet der Lechhöhenweg.

 

Als ich meine Karte studierte, um am schnellsten nach Faulenbach zu finden, bot ein alter Mann an, mich ein Stück zu begleiten und mir den Weg zu zeigen. Er schob sein Fahrrad nebenher und erzählte mir ein wenig Tratsch und Klatsch über Füssener Hoteliers und Wirte. Er erinnerte sich, wie sie alle mal klein angefangen und ihre Eltern hart gearbeitet hatten, um ihnen was zu hinterlassen. Und jetzt streiten sie um die Gäste.

Es war eine amüsante halbe Stunde.

 

Ich übernachtete im Aktiv Hotel Schweiger, ein Kur und Gesundheitshotel, das auch Kneippsche Anwendungen anbietet. So bestellte ich für den nächsten Morgen einen Wechsel-Vollguß.

 

Den restlichen Nachmittag nutzte ich für einen Spaziergang zum Lechfall. Vom Hotel aus war es nicht weit.

 

Der Lechfall ist ein einmaliges Naturdenkmal und damit eine touristische Attraktion. An diesem Abend waren allerdings wenige Besucher anwesend.

 

Über 5 Stufen stürzt sich das Wasser des Lechs 12 Meter tief in eine enge Schlucht.

Sie ist die einzige in Deutschland, durch die ein größerer Fluß aus den Alpen noch ungehindert fließt.

 

Der Lech führte nicht viel Wasser, daher wirkte der Wasserfall zahm. Die Schlucht beeindruckte mich schon.

 

     

 

 

 

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