3. Tag

 

Von Bernbeuren bis Wildsteig

 

 

Als ich die letzten Häuser von Bernbeuren hinter mir gelassen habe, führt der Weg in die Wiesen und vor mir tat sich ein fantastisches Panorama auf. Es war eindrucksvoller als am Tag vorher: blühende Blumen, Baumgruppen, Weideland, Weiler und einzelne Höfe, dahinter die Kulisse der Berge. Die morgendliche Sonne tauchte das Land in heiteres, warmes Licht.

 

 

Das Gras war noch nass vom Tau, frühe Bienen suchten Nektar. Ein strahlender Himmel mit einzelnen weißen Wolken wölbte sich über das Land. Alles wirkte ungemein friedlich, ganz still und ganz für sich, wie das Reservat einer heilen Welt.

 

Ich kam an einer kleinen Kapelle und einem Wegkreuz vorbei, überquerte schmale Bäche, lief durch einen Wald hinab, erreichte wieder sanft geschwungenes Weideland. Ich freute mich an dieser herrlichen Landschaft, genoss die Schönheiten der Natur und wünschte, hier leben zu können.

 

 

          

 

Als ich aus einem Wald wieder ins freie Feld kam, wunderte ich mich, wie gleichmäßig grün die Wiesen waren, bis ich einen Mann in leicht vorgebeugter Haltung erkannt. Da wurde mir klar, daß dies nicht Wiese oder Weideland war. Dies war ein Golfplatz. „Schade um den Traum einer landschaftlichen Ursprünglichkeit“, dachte ich. Doch ich mußte zugeben, der Golfer war alleine ohne Caddy. Er störte die Idylle nicht.

 

 

Bald tauchten die ersten Häuser von Lechbruck auf. An der Pfarrkirche vorbei, deren Glocken eben zu läuten begannen, wanderte ich hinunter zum Lech. Das Wasser schimmerte, als habe die Sonne es von innen zum Leuchten gebracht. Ein niedriges Wehr ließ den Fluß aufschäumen und brodeln, dass man seine Kraft ahnen konnte, so friedlich er auch jetzt dahinfloß.

 

     

 

Ich ging den Uferweg entlang zur Lechbrücke. Hier traf ich eine Frau, die ebenfalls auf einer mehrtägigen Wanderung war. Wir erkannten einander sofort als Gleichgesinnte. Sie hatte in Prem übernachtet und wanderte weiter den Lech-Höhenweg entlang.

 

 

Ich überquerte die Lechbrücke mit dem Flößerdenkmal, das an die Geschichte Lechbrucks als einstmals wohlhabendes Flößerdorf erinnert.

 

 

Nach der Beschreibung und nach der Karte sollte der Prälatenweg nach der Brücke sofort links am östlichen Ufers des Lechs entlang zum Stausee weiterlaufen. Jedoch konnte ich keinen Weg erkennen, kein Zeichen finden. Links der Brücke fand ich nur das in der Beschreibung erwähnte Cafe, welches noch nicht geöffnet hatte, einen Lager- oder Parkplatz, dahinter mannshohes Gras und Gesträuch. Nach einigem Suchen entschloß ich mich, in das Gestrüpp einzutauchen in der Hoffnung ans Flussufer zu gelangen. Wenige Metern später entdeckte ich die beiden gegenläufigen Krummstäbe, farblich noch gut erkennbar, doch fast überwuchert. Niedergetretenes Gras führte zu einem schmalen Auenpfad, der gesäumt wurde von hohen Gräsern sowie Blüten auf langen Stielen. Stellenweise war er kaum zu erkennen und ich fühlte mich wie in einem kleinen Urwald, umso mehr als man den Fluß zwar hörte, jedoch nur ab und zu durch das Gesträuch schimmern sah.

 

     

 

Dann wieder ließen niederes Buschwerk und hohe Bäume das Sonnenlicht in schmalen Streifen auf die Erde fallen und ich wanderte durch einen grün-silbernen Laubengang.

 

 

Später wird der Pfad zum Fußweg. Teilweise verläuft er jetzt am Ufer des Stausees entlang, Seevögel nahmen gemächlich Sicherheitsabstand als ich näher kam. Teilweise führt er durch Wald über Lichtungen, an kleinen Weihern vorbei.

 

     

 

Seevögel in Ufernähe.

 

 

Blumen am Weg.

 

Gegen Mittag hatte ich den See verlassen und kam ich in Urspring an.

 

Wieder lag die Alpenkette vor mir, ein beeindruckendes Panorama vor aufziehenden Gewitterwolken. Die Wolken ballten sich und zogen sich wieder auseinander, das Licht veränderte sich mit der Schwärze der Wolken. Ein faszinierendes Schauspiel!

 

 

Vor lauter Schauen habe ich den Weg verloren.

Auf gut Glück marschierte ich Richtung Steingaden. Es gab einen Wegweiser nach Steingädele. So klein wollte ich es auch wieder nicht, außerdem lag es zu südlich, also nahm ich den nächsten Weg in östlicher Richtung. Einen Mann, der mir entgegen kam, fragte ich ihn um den Weg nach Steingaden.

 

„Sie sind schon da.“ Na wunderbar, aber wo in Steingaden war ich? Auch das konnte der freundliche Mensch auf der Karte erkennen. Als ich dann noch wissen wollte, wie ich zur Wieskirche komme, erhielt ich ausführlichen Bescheid. „Gehen Sie die Straße weiter bis zur Hauptstraße, dann nach links bis zur Raiffeisenkasse, dort geht rechts der Weg zur Wies.“

An der Hauptstraße angekommen, war ich wieder mit meiner Karte im Reinen. Ich wusste jetzt wo ich mich befand und folgte nicht dem eben erhaltenen Rat, sondern wandte mich nach rechts, stadtauswärts, um dann links in einen Forstweg zur Wies einzubiegen. Das Zeichen des Prälatenweges habe ich auch wieder gesichtet. (Übrigens, der freundliche Helfer hatte Recht mit seiner Beschreibung. So kommt man über einen Fahrweg zur Wieskirche.)

 

     

 

Dieser Weg dagegen führt am Bach entlang, über Wiesen, durch Koppeln, durch den Wald. Feuchte Stellen im Wald sind mit Bohlen ausgelegt, Knüppelstege und Trittleisten helfen, kritische Stellen zu überwinden. Kein Mensch begegnete mir. Außer dem Plätschern des Baches und den Rufen einzelner Vögel herrschte eine göttliche Ruhe bis ich wieder auf einen breiten Forstweg einbog. Hier kamen mir die ersten Ausflügler entgegen. Ich hörte ihr Geschwätz lange bevor ich sie sah. Sie erwiderten nicht meinen Gruß, sie bemerkten mich wahrscheinlich gar nicht, so sehr schienen sie in ihre Unterhaltung vertieft. Ihnen entgehen all die kleinen Wunder am Weg, die Schmetterlinge, die Libellen, schnelle Käfer, ein plötzlich aufspringende kleiner Frosch. Sie hören nicht die Rufe einzelner Vögel, das Hämmern eines Spechtes, nicht das Schmatzen der Bretter über das Moor.

Aber vielleicht sind sie den „Brettlesweg“, einen ganz besonderen Weg, gar nicht gegangen.

Vom Fahrweg zweigt ein Fußweg in den Hochwald ab. Als niedrige Büsche und Bäume den Waldrand ankündigen, steht da unvermittelt ein Bildstock mit dem Bildnis der Mutter Gottes. Frische Blumen schmückten ihn. Warum hat man hier mitten im Wald einen Bildstock errichtet? Doch gleich darauf fand ich eine Antwort, eine Antwort für mich.

Nach einer kurzen Biegung liegt er nämlich vor mir: der „Brettlesweg“, ein schmaler Bohlenweg, gerade breit genug für eine Person, der durch das Hochmoor führt.

Ich kann mir gut vorstellen, dass zu den Zeiten, als der Weg übers Moor noch nicht so gesichert war wie heute, man den Beistand der Gottesmutter erflehte und Dank sagte für eine sichere Durchquerung des Moors. Aber das ist nur meine ganz persönliche Erklärung ohne Wissen um Hintergründe.

 

 

422 Meter lang soll der Brettlesweg sein. Er kam mir länger vor. Zwei oder drei Bänke stehen am Rand. Sei werden nicht nur zur Rast sondern auch zum Ausweichen aufgestellt sein. Sumpfgras und Krüppelkiefern, Moorlöcher, rechts und links wuchsen mir unbekannte Pflanzen. Zwei Krähen flogen lautlos dem Wald zu.

 

     

 

     

 

 

Durch das Wiesfilz.

 

 

Moor stimmt mich immer etwas melancholisch. Diese Stimmung wurde noch dadurch verstärkt, dass das Wetter schlechter wurde, der Himmel grau in grau wie Blei über dem Filz hing. Trotzdem war ich froh, diesen Weg gewählt zu haben, schon der Einsamkeit und Stille wegen hat es sich gelohnt.

 

In einem gemütlichen Wirtshaus unterhalb der Wieskirche kehrte ich ein, denn es begann zu regnen. Doch der Regen war von kurzer Dauer. Nicht einmal die Zeit für ein Paar Weiswürste und eine Brezen hat er angehalten. Danach wurde es wieder hell, die Wieskirche lag in strahlendem Sonnenlicht.

 

 

Ich besuchte das Gotteshaus. Es war das übliche Touristengedränge, vor und in der Kirche. Hier erzählte ein Pater die Geschichte der Wallfahrt, dort erklärte ein Fremdenführer seiner Gruppe die Baugeschichte.

 

     

 

Rasch ging ich wieder, wanderte zwischen einer Baumreihe und Wiesen zur Landvolkshochschule, von dort weiter über Forstwege bis nach Wildsteig. Inzwischen war der Himmel wieder dunkel, fast schwarz geworden wie vor einem Gewitter. Trotzdem wollte ich noch die kleine Kapelle am Stroblhof besuchen.

 

 

 

Der Zaun um die Kapelle.

 

 

In Wildsteig endete mein dritter Tag, 7 1/4 Stunden bin ich gelaufen für 18,5 km. Ich habe mir Zeit gelassen. Trotzdem war ich froh, den Gasthof erreicht zu haben und die Füße hochlegen zu können.

 

 

Mariengrotte vor der Pfarrkirche St. Jakob.

 

 

Als ich gegen acht Uhr abends ins Bett ging, begann es zu regnen. Doch auf der Terrasse, so schien es, störte das niemanden. Ich hörte Sprechen und Lachen bis in mein Zimmer. Neugierig öffnete ich das Fenster, um zu sehen, wer sich vom einsetzenden Regen nicht stören ließ.

Niemand saß auf der Terrasse. Die juchzenden Stimmen kamen aus dem Nachbarzimmer. Was doch so ein Regenabend alles bewirkt.

In der Nacht dann tobte ein Unwetter mit Blitz und Donner, Regen und Sturm.

 

 

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